Moskau ist weit und der Zar will Rubel für ein Foto

Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn zwischen Moskau und Omsk: Birken - Birken - Birken - Sümpfe - ein graues Dorf - Birken - Felder - Birken - Birken ...

Sibirischer Sonnenaufgang

Von Moskau nach Omsk - 44 Stunden unterwegs im offenen Schlafwagen. Je Schlafabteil zwei Doppelstock-Klappliegen, also vier Betten, und zwei in Fahrtrichtung - insgesamt sechs. Draußen, vor den verstaubten Fenstern, wartet Russland - unendlich groß, voller Birkenwälder und grau. Es ist Herbst.
Am ersten Morgen in der "Transsibirischen" haben wir Moskau schon längst hinter uns gelassen. Im Waggon, mollig warm bei 25 Grad - unzählige russische Jogginganzüge spielen Karten und rauchen mit deutschen Spagetti-Trägern im Durchgang zum nächsten Waggon. Kalt ist es da und stickig. Die Waggonbegleiterin saugt den Fußboden zum ersten Mal. Zwei Tschetscheninnen lachen über uns. Jedesmal wenn sie uns ansprechen, gucken wir sie an und lächeln. Mehr können wir noch nicht ohne Anja. Auf dem nächsten Bahnhof wechselt ein kaltes Brathähnchen den Besitzer. Es besteigt den Zug und darf während der Mittagszeit einen Ausblick auf russisches Hinterland genießen. Wenig später widerfährt zwei Räucherfischen Ähnliches. Am Abend dann: Süppchen aus dem Tank mit heißem Wasser am Ende des Wagens - und Tee. Gebackenes haben wir von "russischen Mütterchen" am letzten Bahnhof.
Heimkehr nach zwei Jahren Inseldasein Die alten russischen Märchenerzähler müssen damals "Transsib" gefahren sein - es passt einfach zu gut. Unendlich sind die Birkenwälder - hin und wieder eine paar Tannen. Den Ural sehen wir nur bei Nacht, seinen Schatten also. Und der ist sanft, mit einem Fluß unten im Tal, verschneit. Wir schlafen viel und reden. Langsame Augenblicke dösen durchs Fenster ins Land.
Wovon leben die Menschen in den Dörfern entlang der Eisenbahn? Den Werkstätten und Fabriken fehlt das Dach, eine Wand oder die Fenster. Moskau ist weit und der Zar verlangt Rubel für ein Foto auf dem Roten Platz.
Im Zug zurück treffen wir russische Soldaten. 20 Jahre alt, seit 14 Tagen auf der Heimreise, zwei Jahre stationiert auf ein paar winzigen Inseln vor Japan. 13 Mann ohne Urlaub, dreimal im Jahr ein Schiff und Post. In sauberen Uniformen, mit kräftigen Zügen rauchend. Nervöse Hände zeigen Fotos von der Freundin und Familie. Ab jetzt noch sechs Monate Reserve. Nur Minuten bis nach Hause. Dreißig Stunden bis Moskau. Der Zug hält kurz. Draußen ist es dunkel. Es schneit.

Jens Bemme